Das Glashäger Quellental
Wenn Sie im Glashäger Quellental bei Hohenfelde stehen, dann werden Sie die Schönheit dieses Tales inmitten der hügeligen Landschaft bewundern. Vielleicht haben Sie gerade gut gegessen und freuen sich auf einen Verdauungsspaziergang. Vielleicht erfreuen Sie sich an der Farbvielfalt – sei es das grün-weiß-gelbe Blumenmeer aus Anemonen und Buschwindröschen oder sei es der bunte Teppich aus herbstlich gefärbten Blättern. Aber wussten Sie, dass dieses Tal Resultat gewaltiger irdischer Kräfte ist?
Vor über 12.000 Jahren schoben sich schwere Eismassen über die Nordhalbkugel hinweg Richtung Süden. Erde und Geröll wurden mitgeschleift, Berge abgetragen und unter dem Eis entstanden tiefe Schürfungen. Die deutschen Mittelgebirge wurden aufgetürmt und zeichneten den Rand des Inlandeises ab. Etwa 10.000 bis 8.200 v. Chr. kam es zu einem Klimaumschwung, in Folge dessen die Gletscher tauten. Reißende Ströme bildeten sich und ergossen sich in die Senken und Täler.
Etwa 5.000 v. Chr. waren die Gletscher über Skandinavien so leicht geworden, dass die skandinavische Landplatte sich zu heben begann und die zuvor mit den Weltmeeren verbundene Nord- und Ostsee zu einem Brackwassermeer wurde. Bis zum Jahre 0 stieg der Meeresspiegel wieder an und überflutete die Festlandbrücke, sodass sich die skandinavischen Inseln bildeten. Die einstige Festlandbrücke finden Sie heute noch wieder: Schleswig-Holsteins Ostseeküste bis Fehmarn ist der südliche am Festland hängende Rest und die skandinavische Halbinsel der nördliche am Festland klebende. Dazwischen liegt Dänemark mit seinen vielen Inseln – das ist die auseinander gebrochene und zerklüftete Mitte der Festlandbrücke. Hohenfelde lag zu der Zeit noch unter dem Eis.
Nach Christi Geburt hob sich die skandinavische Platte wieder an und die südliche Ostsee senkte sich. Dänemark zerriss weiter und die von Eis und Flut zerklüftete heutige mecklenburgische Landschaft wurde überflutet und geformt. Im Westen entstand eine grazile Fördenküste (Flensburg bis Kiel), östlich davon eine Buchtenküste (Lübeck bis Rostock) und wieder östlich davon eine Bodden- und Boddenausgleichküste (Fischland-Darß-Zingst bis Stettin). In dieser Zeit nun – also vor 2000 Jahren – wurde erstmals die Landschaft, wie wir sie heute kennen, sichtbar. Die norddeutsche Ebene war von Seen und Teichen bedeckt, tiefe Sölle hatten sich dort gebildet, wo Toteis tief in der Erde steckte und taute und große Flüsse durchströmten das Land. Die Vegetation setzte wieder ein, aus den Sümpfen wurden Moore, Wiesen und Wälder entstanden und die Tiere kehrten zurück.
Auch die Zivilisation kehrte langsam aber spärlich zurück in die niederen Gebiete, fand dort Tiere zum Jagen, Fische, Pflanzen und Baumaterialien. wurde sesshaft und bewirtschaftete das Land. Im Norden Mecklenburgs war mit der Kühlung ein Hügelzug am Rande eines Gletschers entstanden. Dort wo Schmelzwasser den kürzesten Weg ins Meer fand, bildeten sich Senken, wie die Conventer Niederung und der Riesensee. Wo feste Geröllmassen das direkte Abfließen verhinderten, nahm das Wasser die Senken und Schürfspuren und floss in ihnen entlang in die Senken. Aus einigen Senken wurden tiefe Täler.
Hohenfelde liegt auf dem Hügelrücken der Kühlung. Der Hügelzug wurde nicht einfach nur aufgeschüttet, sondern ist das Resultat von Plattenverschiebungen und Kräfteeinwirkungen des Inlandeises. Gewaltige Kräfte änderten hier den Grundwasserspiegel. Um Hohenfelde liegt der Grundwasserspiegel so hoch, dass das Grundwasser an einigen tief gelegenen Stellen einfach austritt.
Und genau das ist das Quellental: Gegraben durch die Eismassen, geformt durch Meerwasser und tief eingeschnitten durch das Schmelzwasser und über Jahrhunderte austretendes Grundwasser ist es eines der bemerkenswertesten Urstromtäler Deutschlands. Wie das aus den vulkanischen Gesteinen an der Eifel austretende Mineralwasser weckte auch das Glashäger Quellwasser das Interesse der Menschen. So klar, so kühl, so erfrischend und belebend – das musste etwas Besonderes sein.
Den Doberaner Mönchen sagt man nach, sie hätten im Quellental Wein angebaut. Als Indiz wird angeführt, dass ein Weinkeller verzeichnet worden sei. Allerdings war das Quellental zu Zeiten der Mönche genauso – wenn nicht noch stärker – bewaldet, wie heute und weder die Hanglage, noch der Boden eignen sich zum Weinanbau. Auf jeden Fall ist überliefert, dass sie Wasser in Krügen entnahmen.
1906 wurden die vielen Quellen vom Besitzer des Gutes Glashagen, Hans von Blücher, auf ihren mineralischen Gehalt überprüfen lassen. Es stellte sich heraus, dass es sich um ein ausgezeichnetes Mineralwasser handelte. Am 15.02.1908 verkaufte Hans von Blücher das als Tal samt der Büdnerei an die „Mineralquelle Glashagen GmbH“, vertreten durch Geschäftsführer Albert Wolf.
Kurz darauf wurden Pumpen und Rohrleitungen errichtet, um das Wasser aus dem Quellental in eine etwa gleich hoch gelegene neue Fabrik in Doberan (damals noch ohne „Bad“) zu befördern. Dort wird es seitdem industriell in Flaschen abgefüllt. Blücher nannte das ganze Tal „Weinkeller“ und daher kommt wahrscheinlich die Annahme, das hier Wein angebaut wurde. Gewöhnlich wird in einem Weinkeller aber Wein eingelagert und nicht angebaut und zur Weineinlagerung mag die eine oder andere Stelle durchaus geeignet gewesen sein.
Wohl im selben Jahr errichtete jemand einen klassizistischen weißen Brunnentempel. Auch hier wird oft behauptet, dass Carl Theodor Severin der Baumeister des Brunnentempels sei. Der Doberaner Baumeister war aber zu diesem Zeitpunkt schon fast ein halbes Jahrhundert beerdigt und kann nicht einmal von den Quellen gewusst haben. Es haben sich nach seinem Tod viele Baumeister am Genie des Klassizismus in Mecklenburg orientiert – man denke nur an Georg Adolf Demmler oder August Rathsagg, deren Handschrift alles in Heiligendamm trägt, das nach Severins Kurhaus entstanden ist. Der Quelltempel ist sicherlich eine schöne Hommage an einen Großmeister des Klassizismus, der im heutigen Bad Arolsen geboren wurde, aber ob das die Absicht des unbekannten Erbauers war, ist zu bezweifeln.
Heute ist der klassizistische Brunnentempel das Markenzeichen der Glashäger-Produktpalette. 1910 wurde Glashäger vom Kaiserlichen Patentamt zum offiziellen Markenzeichen erhoben. Die DDR-Regierung enteignete und verstaatlichte die Mineralwasserfabrik und gliederte sie in den VEB Rostocker Brauerei ein. Es wurde weiterhin Mineralwasser abgefüllt aber auch verschiedene Brause- und Colasorten, wie „Cola-Hit“ und „Atri“. Mit Mineralwasser versetzte Fruchtsaftgetränke wurden produziert und auch Teile der „Vita-Cola“ wurden in Bad Doberan hergestellt. Nach dem Margon Brunnen war der Glashäger Brunnen der zweitgrößte Brunnenbetrieb der DDR. Nach der Wende wurde die Fabrik privatisiert und die großen deutschen Brauereien wechselten ihre Mehrheitsanteile an der Glashäger: Gerolsteiner, Dr. Oetker, Brau und Brunnen hatten Mehrheiten an der Glashäger. Heute gehört das Unternehmen zur Hassia-Gruppe, die es zum Marktführer in Mecklenburg-Vorpommern machte. Sie können die Geschichte der Glashäger auch in der hauseigenen Ausstellung erleben. Inzwischen kommt das Wasser nicht mehr direkt aus dem Quellental, sondern wird einige hundert Meter weiter zwischen Hohenfelde und Neu Hohenfelde mittels moderner Technik direkt aus dem viele Meter tiefen Grundwasserreservoir gefördert.
Übrigens: Auch der Coca-Cola-Konzern weiß das Glashäger Mineralwasser zu schätzen und wollte sich bei Bad Doberan ansiedeln. Doch die Stadt Bad Doberan hatte Bedenken und so bleibt es bei der Marke „Glashäger“ für das gesamte Glashäger Mineralquellwasser. Die Vorräte reichen rechnerisch noch fast zwei Jahrhunderte, bis neu gebohrt werden muss. Coca Cola wich nach dem Entschluss nach Ziesendorf bei Schwaan aus.
Das Quellental ist nicht nur wegen seiner Mineralquellen eine Besonderheit: Auch seltene Pflanzen und Tiere leben heute noch hier. Schon der Rostocker Gelehrte Eugen Geinitz erkannte den wissenschaftlichen Wert des Quellentales. Kennen Sie Scharbockskraut, Waldbingelkraut und Waldgoldstern? Wenn nicht, ist das völlig natürlich: Diese Pflanzen sind so selten, dass Sie regelrecht danach suchen müssen. Nicht so im Quellental: Dort wachsen die seltenen Schönheiten zusammen mit Buschwindröschen, Leberblümchen, Waldveilchen und Arinstab und bilden zu den Blütezeiten ein in Wäldern sehr seltenes Blütenmeer. Bitte verlassen Sie darum auch nicht die Wege: Das Quellental ist ein Naturschutzgebiet.
Nicht nur seltene Flora ist im Quellental zu finden. Auch seltene Tiere, insbesondere Vögel, leben in dem geschützten alten Urstromtal. Der Zaunkönig zum Beispiel nistet hier und auch der Kolkrabe ist hier zu Hause. Wer hätte es gedacht: Auch die Gebirgsstelze fühlt sich im hügeligen Quellental wie zu Hause. Der Waldlaubsänger ist hier zu hören und der Mäusebussard jagt hier. Sie finden Bauten von Fischottern, Biebern, Hasen und Füchsen und hin und wieder verirren sich auch Hirsche, Rehe und Wildschweine an den Waldrand. Aber keine Angst: Das steile Tal ist nicht ihr festes Zuhause.
Wenn Sie schon im Quellental sind, besuchen Sie doch gleich die Ausflugsgaststätte Quellental und die Glas-Hütte in Hof Glashagen.
Die Hügelgräber im Quellholz
Wo das Wasser gut, die Wiesen nutzbar und viel Holz vorhanden war, ließen sich Menschen nieder, bauten Hütten aus Holz, Lehm, Stroh und Steinen in runden Siedlungen. Noch heute dokumentieren einige unscheinbare Hügel die frühe Besiedlung der Kühlung. Im Quellholz bei Hohenfelde sind diese stummen Zeugen heute noch zu finden. Unter ihnen befinden sich Großsteingräber – Grabstätten von Steinzeitmenschen, die hier sicher vor Tieren und Räubern ihre letzte Ruhe finden sollten.
In Norddeutschland und Skandinavien sind diese Gräber erst um 1100 n. Chr. entstanden und darum überhaupt noch so gut zu finden. Während viele dieser „Hünengräber“ in Mecklenburg-Vorpommern ausgegraben und ausgeraubt oder von der Witterung freigelegt wurden und nur noch aus den Steinen bestehen, sind die Hohenfelder Hügelgräber unberührt! In ihnen liegt noch immer genau das, was vor über tausend Jahren dort hinein gelegt wurde. Ein Grab hat man 1821 zu Forschungszwecken unter Herzog Friedrich Franz I zu öffnen versucht. Man fand eine Armspirale, einen Halskragen, einen Halsring, eine Ziernadel und einen Topf, konnte aber nicht bis in die Grabkammer vordringen. Danach hat man es nie wieder versucht und das macht das Quellholz zu einem mystischen Ort, einem kleinen Stonehenge.
Die drei Hügelgräber im Quellholz sind Teile eines Gräber-Halbkreises. Weitere Hügelgräber in den Gemarkungen Stülow und Retschow sind überliefert. Ein Grab wurde beim Bau der Chaussee vernichtet und die anderen fielen nach und nach der wachsenden Landwirtschaft und der Besiedlung zum Opfer. Heute nennt man es nüchtern „Flurbereinigung“, im Prinzip wurden damit aber Zeugnisse einer entwickelten frühzeitlichen Zivilisation an der Ostsee zerstört.
Die Region um Hohenfelde muss sehr bedeutend gewesen sein, denn es existierte eine heilige Stätte der Steinzeitmenschen zwischen Bad Doberan und Hohenfelde. Beim Bau des Gewerbegebietes „Eikboom“ am Ostrand Bad Doberans fand man eine ganze Siedlung im Erdreich, deren Funde eine weite Entwicklung belegen.
Der Fundplatz im Quellholz ist etwa 500 Quadratmeter groß, es handelt sich um ein großes und drei kleine Gräber. Für Kenner sind auch diese Daten interessant: Rechtswert: 4493745, Hochwert: 5995570. Wenn Sie im Quellholz spazieren gehen, stoßen Sie irgendwann auf das neue Moorbad. In der Glaskuppel über dem Dach befindet sich das Panorama-Café mit Außenterrasse. Von hier aus haben Sie einen wunderbaren Blick auf Bad Doberan und seine Umgebung – bei klarer Sicht bis nach Rostock. Wenn Sie sich ein Fernglas mitnehmen, können Sie hier Schiffe gucken. Das ist besonders zur Hanse Sail ein beliebter Aussichtspunkt. Wenn das Panorama-Café gerade nicht geöffnet hat, können Sie sich auch schräg gegenüber in der Caféteria des KBD Krankenhauses stärken.
Mehr Informationen zu Hügelgräbern in Mecklenburg-Vorpommern, Bodendenkmallisten, Definitionen und einen Überblick über die Geschichte Mecklenburgs finden Sie hier:
Aufstellung von Hünengräbern in Mecklenburg-Vorpommern
Bodendenkmalliste M-VP.DE
Mecklenburger Geschichte